Des einen Zuviel ist des anderen Zuwenig

Wer sich nur von Lebensmittelspenden ernähren müsste, bekäme sehr viel Brot, Gemüse und Obst hingegen sind eher Mangelware. Zwar gibt es auch bei diesen Warengruppen Überschüsse – aber wie bringt man sie in die richtige Form oder an den richtigen Ort?

Wenn in den Medien (speziell in den Social Media) von Lebensmittelverschwendung die Rede ist, kommen sie aus allen Richtungen: Die Expertinnen und Experten. In den Kommentaren wissen eigentlich alle, wie das Problem ganz einfach zu lösen sei. Wie so oft sind die Dinge nicht so simpel, wie sie auf den ersten Blick aussehen – angefangen damit, dass es sich nicht um «ein» Problem handelt, sondern um eine ganze Sammlung.

Manchmal aber gelingt es, an einem der vielen losen Enden etwas ein wenig besser zu machen. Was es dazu braucht: offene Augen und Ohren, etwas Raum für Kreativität und den Willen zur Zusammenarbeit. Hier sind zwei Geschichten, an die wir einander erinnern an Tagen, an denen draussen in der Welt alle zu wissen scheinen, wie’s geht und gleichzeitig in allen Gesprächen und Projekten grad wieder mal niemand einen Schritt vorwärts machen will.

Wie kommt Konfi aufs Brot?

Wer sich mit Lebensmittelspenden beschäftigt, findet schnell heraus: Es gibt jede Menge Brot, aber nur selten etwas für drauf. Aus diesem Mangel entstand das Basler Projekt «Konfitüre gegen Food Waste», initiiert in einer Zusammenarbeit der Schweizer Tafel Region beider Basel und der Heilsarmee.

In den Küchen der Heilsarmee Basel und Soup&Chill Basel werden rund 300 Gläser Konfitüre pro Monat hergestellt; die dabei verwendeten Früchte stammen zum Beispiel aus Produktionsüberschüssen, von Nachernten und Sportanlässen, wo Früchte als Verpflegung abgegeben werden und Reste anfallen. Die Produkte werden im Caritas Laden Basel verkauft zu Preisen, die für finanziell schwache Menschen erschwinglich sind.

2018 hat das Projekt den mit CHF 5’000 dotierten Faktor5-Publikumspreis gewonnen, es wird von der Initiantin Sonja Graesslin mit dem Projekt wert!stätte weitergeführt. Geplant ist, die monatliche Produktion zu verdoppeln und den Vertrieb schweizweit auszubauen.

Volle Lager – aber nichts zum verteilen?

Geht es darum, Überschuss und Bedarf zusammenzubringen, spielt oft der Zufall eine Rolle: In einem Recherchegespräch erfahren wir im Mai 2019, dass die Rekordernte an Äpfeln aus dem Jahr 2018 noch längst nicht aufgebraucht ist. Gleichzeitig sind wir in Kontakt mit verschiedenen karitativen Organisationen, anhand derer wir die Funktionsweise der Lebensmittelspenden zugunsten Bedürftiger betrachten. Dort erfahren wir, dass Äpfel zu den Warengruppen gehören, die bei den Spenden deutlich untervertreten sind.

Ein Grossteil der Schweizer Apfelproduktion findet in der Ostschweiz statt, wo wir auch in Kontakt zu einer Organisation stehen, die dankbarer Abnehmer für Überschuss wäre. Einen Versuch ist es wert: Können wir für Food Care einen Zugang für zu den Apfelvorräten schaffen?

Nicht fragen ist auch keine Lösung

Wir fangen beim bestehenden Netzwerk an: Edwin Huber, Obstbauer im Thurgau und einer unserer Kontakte in die Landwirtschaft, vermittelt uns im Handumdrehen an Benno Neff von der Tobi Seeobst AG. Dieser wiederum erlaubt uns unkompliziert, seinen Kontakt weiterzugeben.

Rund zwei Monate nach den Telefonaten hat uns vor kurzem die folgende Nachricht erreicht:

«Der Kontakt ist zwischenzeitlich zu einem Erfolg geworden. Wir erhalten jede Woche mindestens 500 Kg Obst/Früchte. Bis jetzt durften wir viele Kirschen, Äpfel, Aprikosen abholen. Und es klappt alles einwandfrei – eine wahre Freude und Ermutigung/Ansporn für mich weiter auf Kurs zu bleiben.»

Markus Hofmann, Gründer & Leiter von Food-Care Ostschweiz

Es braucht Leute, die etwas möglich machen wollen

Können auf diese Weise alle Probleme gelöst werden? Natürlich nicht. Wir diskutieren im Kontext mit der Tätigkeit des Vereins viel darüber, wieviel Impact Ideen und Veränderungen haben – und wann ein Hebel gross genug ist, um systemrelevant zu werden.

Aber Sonja Graesslin, Edwin Huber und Benno Neff erinnern uns daran, dass es manchmal genauso wichtig ist, einfach mal ein Fenster aufzumachen, solange die Tür zugestellt ist.

 

Bild: Photo by Aarón Blanco Tejedor on Unsplash