Gut oder gut gemeint, Teil 4: Lebensmittelretten oder Schnäppchenjäger fördern

Heute im Angebot: Raclettekäse, 3 Kilo im Verkauf für 5 Franken – statt für rund 90 Franken beim Detailhändler. Doch mit Nachhaltigkeit hat das leider nichts zu tun.

Serie «Gut oder gut gemeint»: Während unserer Recherchen im aktuellen Projekt «B2B Marktplatz für Lebensmittelüberschuss» sind uns einige Dinge begegnet, die aus unserer Sicht spannend für einen Austausch sind.

Anfang November sind in Uster 3 Tonnen Raclettekäse verkauft worden – oder, wenn wir das Kind in diesem Fall beim Namen nennen wollen, eher verramscht. Anders kann man einen Abverkauf von jeweils 3 Kilo für 5 Franken aus meiner Sicht nicht bezeichnen; der Handelspreis liegt bei rund 90 Franken. Der Verkauf wurde am Tag vom ablaufenden Mindesthaltbarkeitsdatum (mhd) angekündigt und am Tag danach durchgeführt.

Laut dem Facebook Post tags darauf und diversen Kommentaren sind rund 350 Leute nach Uster gepilgert (aus der ganzen Schweiz). Schlussendlich ist der Verkauf des Käses sogar noch auf Schnäppchen-Plattformen gelandet – irgendwie verständlich, ein Schnäppchen ist es ja allemal.

Was finde ich falsch daran?

  • Die Schnäppchenjäger*innen kommen aus der halben Schweiz mit dem Auto angefahren – ökologisch gesehen am schlimmsten die, die dann noch leer ausgehen.
  • Uster wurde vermutlich überflutet mit Raclettekäse und die Nachfrage vor Ort wird erst einmal eingebrochen sein – Überschüsse fallen dann beim Handel an, entsorgt wird gleichwohl.
  • Schnäppchenjagd und Hamsterkäufe werden begünstigt, mutmasslich wird ein Teil davon dann zu Hause entsorgt – unter anderem auch, weil die Ware keinen Wert hat.
  • Die Anspruchshaltung, dass Überschuss nichts oder fast nicht kosten darf, wird immer grösser – dabei sind auch diese Lebensmittel mit viel Rohstoff und Ressourcen produziert worden.

Ich bin keine Milch- oder Lebensmitteltechnologin, aber mit den neusten Richtlinien zu Lebensmittelspenden und mhd+ hätte man diesen Käse übrigens nachdatieren und zum Beispiel an eine karitative Organisation spenden können. Die Richtlinien sehen +14 Tage bei Weichkäse und +30 Tage bei Hartkäse vor, Raclette scheint mir ein Halbhartkäse zu sein.

Vielleicht helfen solche Aktionen dabei, einmal mehr aufzurütteln und das Grundproblem sichtbar zu machen. Vielleicht sensibilisieren sie auch noch den einen oder anderen. Aber ein nachhaltiger Umgang mit Lebensmitteln und Überschuss ist das sicher nicht mehr.

Was meinst du dazu?
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